Technologie und Tradition
Nicholas Schülein zieht den Arm des Cobots zu sich und platziert ihn über dem Metallstück auf der Arbeitsfläche. Ein kurzer Blick auf das Display des Tablets, dann loggt er die Position ein. Er wiederholt den Vorgang, bewegt den Arm von einer Stelle zur nächsten, um die Schweißpunkte zu programmieren. Mit einem weiteren Tippen auf den Play-Button setzt er den Roboter-Assistenten in Bewegung. Der weiß lackierte Arm surrt gemächlich voran und steuert mit dem an seinem Ende befestigten Schweißkopf präzise die festgelegten Punkte an. Als Unternehmen, das einen Cobot einsetzt, gehört Metallbau Schiffler derzeit noch zu den Vorreitern im unterfränkischen und auch gesamtdeutschen Handwerk.
«Die Technologie birgt viele Chancen, ist jedoch noch nicht wirklich im Handwerk angekommen, da es in den Kleinstbetrieben nur selten viele monotone Arbeitsschritte gibt» Tatjana Horst, Beauftragte für Innovation und Technologie, Umwelt und Energie (BIT) bei der Handwerkskammer für Unterfranken.
Was sind Cobots und wofür eignen sie sich?
Cobots sind kollaborative Roboter, die speziell für die direkte und sichere Zusammenarbeit mit Menschen entwickelt sind. Sie eignen sich insbesondere für monotone und wiederkehrende Arbeiten wie beispielsweise Sortieren, Schweißen, Schleifen, Fräsen, Lackieren oder auch Bestücken von Maschinen. Das Einlernen der Maschine übernimmt dabei der Mensch. „Sobald sich ein Arbeitsschritt 100 mal wiederholt, wird ein Cobot interessant. “, erklärt Tatjana Horst.
Diese Überlegung stand auch für Nicholas Schülein bei der Anschaffung des Cobots im Fokus. Sein Unternehmen fertigt in Kleinserien Drahtgestelle für das Innere von Fahrzeugsitzen, die bis zu 200 einzelne Schweißpunkte haben können. „Durch die gebeugte Arbeitshaltung handelt es sich dabei um eine körperlich sehr anstrengende Arbeit, die aufgrund der Serienfertigung über mehrere Tage erbracht werden muss. Das wollten wir an die Maschinen auslagern, um unsere Fachkräfte zu entlasten“, erläutert er.
Der Einsatz von Cobots bietet nach Ansicht von BIT-Beraterin Tatjana Horst darüber hinaus noch weitere Chancen: „Damit verbunden sein kann auch eine Produktivitätssteigerung und eine höhere Wettbewerbsfähigkeit, da durch einen Cobot Kapazitäten freigesetzt werden.“ Grundsätzlich sei die Technologie auch geeignet, um den Fachkräftemangel abzufedern. „Wenn der Cobot schon eine halbe Stelle auffängt, kann das einen Mehrwert für ein Unternehmen darstellen“, so die Beraterin.
Grenzen in der Praxis
Trotz der zahlreichen Vorteile hat Nicholas Schülein nach einigen Monaten im praktischen Einsatz Grenzen bei seinem Cobot-Modell festgestellt. „Es ist für unsere Anforderungen leider nicht flexibel genug. Vor allem bei komplexeren Schweißarbeiten mit vielen und unterschiedlich platzierten Schweißpunkten hat sich gezeigt, dass der Arm nicht wendig genug ist“, erklärt er. Auch bei der Nutzung der für Cobos verfügbaren Werkzeuge, der so genannten Endeffektoren am Ende des Arms, bestünden Grenzen: „Sobald hier zu viele benötigt werden, stößt auch die Software an ihre Grenzen. Eine Alternative ist dann die vollautomatisierte Robotik“, erklärt Tatjana Horst.
Für Nicholas Schülein bestünden bei seinem Cobot-Modell zwar Möglichkeiten, eine andere Software oder auch weitere Werkzeugköpfe nachzurüsten. Dies sei aber mit höheren Investitionen verbunden. Von der Technologie ist er dennoch überzeugt: „Wir bleiben hier weiterhin offen, auch weil die Entwicklung sehr dynamisch ist“, bestätigt er. „Denn immer flexiblere Modelle, leistungs- und anpassungsfähigere Software und auch die zunehmende Integration von Künstlicher Intelligenz machen Cobots zu einer Zukunftstechnologie auch für das Handwerk“, so die Einschätzung von BIT-Beraterin Tatjana Horst. Um die Transformation voranzutreiben brauche es aber Offenheit und den Mut, das Modell Mensch-Maschine auch im Handwerk zuzulassen.
Blick in die Zukunft
Dass dadurch keine Gefahr für die traditionelle handwerkliche Fertigung droht, zeigt sich bei Schiffler Metallbau, wo die traditionelle Schlosserei ein wichtiges Standbein bleibt und das Handwerk weiterhin seine Stärke ausspielt, nämlich persönliche, auf den individuellen Bedarf des Kunden abgestimmte Lösungen anbieten. Cobots können im Handwerk entlasten, werden es aber nicht verdrängen.